Viel im Leben angestellt

Walter Chef zum 90. Geburtstag

Generationen von Schülern – vor allem an der „Päda“, am Deutschen Lyzeum in der Josefstadt und am Lenau-Lyzeum - kannten ihn als Mathelehrer. Doch darüber hinaus erinnern sie sich an die vielen außerschulischen Aktivitäten, die Walter Chef stets mit Eifer und unermüdlich im Angebot hatte: Ausflüge, Schülertheater, Fotozirkel, Dia-Vorträge. Bei bester Gesundheit und voller Tatendrang konnte Walter Chef nun seinen 90. Geburtstag feiern.

Walter ChefMobilität war ihm bereits in die Wiege gelegt, als er am 23. Juni 1929 zur Welt kam. Den Geburtsort Campina im Kreis Prahova verdankt er der Tatsache, dass sein Vater in der dortigen Filiale der Hatzfelder Bohnschen Ziegelfabrik Prokurist war. Danach zog die Familie nach Marienburg (Feldioara) bei Kronstadt. Die Gymnasialzeit begann er im Internat der Lioba-Schwestern an der Brukenthalschule in Hermannstadt. Nach dem Umsturz 1944 besuchte er in Kronstadt die Honterusschule, danach in Temeswar zwei Jahre lang das Piaristengymnasium. 1949 gehörte er zu den ersten Absolventen des wieder eröffneten Deutschen Lyzeums. Temeswar sollte nun für längere Zeit Wohnort von Walter Chef bleiben. Er absolvierte die Pädagogische Hochschule und nutzte die Gelegenheit, den Abschluss durch Zusatzkurse an den Universitätsabschluss anzupassen. Er unterrichtete an mehreren Temeswarer Schulen , war zwischenzeitlich auch Schulinspektor. Nach drei Jahren am Josefstädter 10er Lyzeum wirkte er bis zu seiner Auswanderung im Jahr 1980 an der Lenauschule, deren „Geist“ er entscheidend mitprägte.

Seine Freude am Theaterspielen, die ihn bereits in seiner eigenen Schulzeit zum „Revisor“ gebracht hat, setzte er nun mit Schülern um – von „Kabale und Liebe“ bis zu „Familienangelegenheiten“ reichte das Repertoire. Eine weitere Leidenschaft von Walter Chef war immer schon das Reisen. Den eingeschränkten Radius der rumänischen Grenzen nutzte er wie kaum jemand sonst. Nicht nur zum eigenen Vergnügen, sondern auch, um seinen Schülern die Vielfalt des Landes zu zeigen – die Skigebiete im Winter, die Berge, Städte und Flüsse im Sommer. An die Floßfahrt auf der Goldenen Bistritz erinnert er sich besonders gern. Auch als Reiseleiter führte er ausländische Besucher durchs Land. Die Reiseeindrücke hielt Walter Chef fotografisch fest und teilte sie in Diavorträgen mit interessierten Mitmenschen. Auf Schulausflügen entstanden hochwertige Porträts und Schnappschüsse von Teilnehmern. Im Lenau-Fotozirkel brachte er interessierten Schülern die Kunst der Fotografie und der (damals noch analogen) Bildbearbeitung bei. Ein kürzlich von einem einstigen Schüler gestifteter Fotopreis an der Lenauschule trägt im Gedenken an dieses Wirken den Namen „Boss-Chef-Fotopreis“.

1959 heiratete Walter Chef seine ehemalige Schülerin Edeltraud Dengel, in diesem Jahr konnten die beiden ihre diamantene Hochzeit begehen. Ohne sie, sagt er heute, wäre sein Leben nicht so reich und erfüllt gewesen. Sie unterstützte stets liebevoll alle seine Aktivitäten und begleitete ihn auf den meisten seiner Reisen. Die beiden Kinder Christl und Hanno wuchsen selbstverständlich mit der Reiselust der Eltern und deren Liebe zu den Bergen auf. Heute trifft sich die Großfamilie, zu der mittlerweile die vier Enkel Lara, Lars, Lovis und Laurin gehören, gern in Tirol im Haus von Hanno, das sich der Architekt dort selbst gebaut hat.

Es passt zum Tatandrang von Walter Chef, dass er nach seiner Auswanderung sofort da einsetzte, wo er in Rumänien aufgehört hatte. Die Familie landete in Ludwigsburg und der Mathelehrer fand eine Anstellung am Gymnasium Markgröningen. Wie von früher gewohnt, gründete er bald eine Theater-AG, die jedes Jahr ein neues Stück aufführte, und stellte sich gern als Begleiter für Klassenfahrten und Schüleraustausche, bis nach Amerika, zur Verfügung. Auch privat reisten die Chefs viel. Das war, gesteht Walter Chef, die wichtigste Motivation zur Auswanderung gewesen: Etwas von der Welt sehen. An den Volkshochschulen in Ludwigsburg und Stuttgart hielt er bildreiche Vorträge über seine Reisen. Auch besann er sich darauf, dass er bereits in Rumänien Lehrbücher übersetzt hatte, und wirkte als Dolmetscher und Übersetzer bei Gericht. Als er in Rente ging, füllte er die freie Zeit in bewährter Routine als Reiseleiter für professionelle Reiseveranstalter.

Bei aller Offenheit hatte Walter Chef stets auch die Belange seiner Landsleute im Auge. Etliche Jahre stand er dem Kreisverband Ludwigsburg vor und ist heute dessen Ehrenvorsitzender. Da er gleichzeitig im Pfarrgemeinderat war, konnte er die Räume der Kirchengemeinde auch für landsmannschaftliche Aktivitäten nutzen. Auch war er Mitinitiator und Organisator der jahrgangsübergreifenden Lenautreffen, die in den 1980er Jahren im Raum Stuttgart stattfanden und die stetig auswandernden ehemaligen Lenauschüler zusammenbrachten.

„Ich hab viel im Leben angestellt“, resümiert der Jubilar zufrieden. Dass er jetzt altersbedingt kürzer treten muss, sieht er gelassen. Er ist mit seiner Frau nach wie vor viel unterwegs, bringt sich in die Betreuung der kleineren Enkel mit ein und betätigt sich immer noch gern als Übersetzer. „Noch geh ich nicht am Stock“, meint er selbstbewusst. Unter diesen Umständen kann man dem Jubilar nur eins wünschen: Noch viele gesunde, frohe und aktive Jahre im Familienkreis!

Halrun Reinholz