Nachruf auf Günther Michel

Zuruckgschaut

De Vedder Jaksch, en onserm Dorf,
war um die achtzich Johr,
er war es älscht en onser Gass,
em fuffzicher geboor.

So alt wollt ich mol gheere ghenn,
han ich zu ehm gemennt,
er hat no gsaat, des is net vill,
du kleenes, tummes Kend.

Des ist als wär mer eemol gang,
dorch onser Gass, alleen,
vum eene bis zum annre End,
täät korz am Ecke stehn.

Un hätt derbei mol zuruckgschaut,
de Heiser langscht, die Peem,
dernoo die Aue zugemach,
des wär no alles gween.

Des hann als Kend ich net begriff,
war ich doch en der Gass
em Taach recht oft ruff-runner grennt,
als wärs halt nor zum Spaß.

War selmols emmer jung geblieb,
es war e scheeni Zeit,
obs Summer war, obs Wenter gween,
mer hadde onser Freid.

Noo senn ich en die weidi Welt,
die Zeit is schnell verunn,
uff eemol han ich's aa begriff,
die Johre sen wie Stunn'.
 

Es war Günther nicht vergönnt, die achtzig Jahre zu erreichen. Früh, viel zu früh wurde er aus dem Leben gerissen. Aus einem Leben, das er voller Tatendrang gestaltete. Wer ihn kannte, konnte ihn sich nicht ruhend vorstellen. Er packte alles mit Vollgas an, wie die Motoren, mit denen er es beruflich zu tun hatte.
Oft hat er mir voller Begeisterung von seiner Arbeit erzählt und von den damit verbundenen Reisen. So kam er in die weite Welt, Amerika, Asien, Europa, auch Mittel- und Osteuropa, über Österreich und Ungarn wieder in die alte Heimat, nach Rumänien und ins Banat. In das Banat, das ihn einst prägte und auf das er stolz war. Er hat es verlassen. Er musste es verlassen, weil die politischen Umstände jener Zeit so waren, aber auch, weil es für einen Mann wie ihn zu eng gewesen wäre. Jedoch weilte er immer wieder gerne zu Besuchen dort und er bewahrte sich die Werte, die er dort vermittelt bekam.
Günther pflegte die banatschwäbische Mundart und er gab sie weiter. Bei den langen Telefongesprächen, die wir in den letzten Jahren führten, saß seine Tochter Caroline manchmal auf dem Schoß von Tata, oder sie spielte in der Umgebung. Er sprach in Mundart mit ihr und er erzog sie so auch in der Tradition seiner Herkunft. Seine junge Familie war der Mittelpunkt seines Lebens. Dort ist nun eine Lücke entstanden, eine kaum zu schließende Lücke. Unsere ganze Anteilnahme, die seiner Frau und den beiden Kindern gilt, vermag nicht mehr, als ein wenig Trost im Untröstlichen zu sein.
Bildung und Erziehung waren ihm ein Anliegen, nicht nur bei seinen eigenen Kindern, nein, er sah es als Gesellschaftsaufgabe. Er selbst hat eine hervorragende Bildung genossen, in Perjamosch und später in der Lenauschule in Temeswar. Da lernte ich Günther kennen, vor mehr als dreißig Jahren, er war in der elften, ich in der neunten Klasse. „War selmols emmer jung geblieb, es war e scheeni Zeit“, wie es in dem eingangs zitierten Gedicht von Karl-Hans Gross heißt, Abiturient im ersten Nachkriegsjahrgang der Lenauschule.
Es war uns damals noch nicht bewusst, was diese gute Bildung für den späteren Lebensweg bedeuten sollte. Mit fortschreitender Lebenserfahrung kam die Erkenntnis. Und es kam auch der Wunsch, „Danke“ zu sagen. Günther war Lenauschüler mit Leib und Seele. Als ich ihn vor knapp zwei Jahren darauf ansprach, einen Verein der Freunde der Lenauschule zu gründen, war er sofort begeistert. Trotz knapp bemessener Freizeit engagierte er sich sogleich, realistische Ziele zu definieren, eine Satzung zu erarbeiten, den Flyer zu gestalten. Das Motto des Vereins, es steht auf dem Flyer, hat Günther ausgewählt: „Bildung ist ein aktiver, komplexer und nie abgeschlossener Prozess, in dessen glücklichem Verlauf eine selbstständige und selbsttätige, problemlösungsfähige und lebenstüchtige Persönlichkeit entsteht.“ Es ist, als ob Günther selbst für diesen Ausspruch von Daniel Goeudevert Vorbild gestanden hätte. Und es ist das Vermächtnis Günthers an den Verein, das auf dem Flyer stehen bleiben wird, so lange es den Verein
Günther war der erste, der den Mitgliedsantrag ausgefüllt hat und so ist er  mit der Nummer 1 in der Mitgliederliste verzeichnet. Die Gründungsversammlung hat ihn einstimmig zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Es bedurfte aber nicht des Amtes, das war nur die äußere Form, er hätte so oder so entscheidend in der Vereinsarbeit mitgewirkt.
Dann kam die Krankheit. Sie konnte ihn kurzzeitig behindern, aber sie konnte ihm nicht den Elan rauben. Er hat sich eingebracht, als ob nichts gewesen wäre. Im Spätherbst letzten Jahres, auf dem jahrgangsübergreifenden Lenautreffen konnte ihm niemand etwas anmerken. Die Kollegen erfreuten sich seines Humors, als er bis früh am Morgen Witze zum Besten gab. Witze konnte Günther schon immer gut erzählen.
Auch am Wochenende vor Weihnachten, als wir uns in Ulm zu einer Vorstandssitzung trafen, konnte keiner ahnen, dass es das letzte Mal sein sollte, dass wir uns sehen. Trotz Schneesturms und kilometerlangen Staus auf den Autobahnen hat Günther sich auf den Weg gemacht. Wir berieten über das vergangene und die folgenden Lenautreffen. Im Jahr 2011 ist das nächste große, jahrgangsübergreifende Lenautreffen in Deutschland, und dann wäre auch das 30-jährige Abiturtreffen von Günthers Jahrgang. Günther hatte bereits mit der Planung und Organisation seines Jahrgangstreffens begonnen, welches zusammen mit dem großen Treffen stattfinden sollte. Nun muss es ohne ihn über die Bühne gehen.
Wir sind gezwungen, Abschied zu nehmen. Günther hat es erhobenen Hauptes getan. Wir neigen unser Haupt vor soviel Größe.

Ade Günther…, oder vielmehr: Auf Wiedersehen.

Die Johre sen wie Stunn'.

Kleinostheim, 31.03.2010, Franz Quint


 

Dankeskarte von Herta Michel