Lenautreffen 2023
Nostalgische Begegnungen in der Kulturhauptstadt
Die nachgeholte Geburtstagsfeier für die Lenauschule war auch ein großes mehrtägiges Treffen ehemaliger Lenauschüler in der von früher vertrauten Heimatstadt, die sich nun als Kulturhauptstadt herausgeputzt hat. Der Verein der Freunde der Lenauschule hatte rund um den Festakt in der Oper ein umfangreiches Rahmenprogramm für die aus aller Welt angereisten Absolventen zusammengestellt.
Wer früh da war, konnte schon am Donnerstag Vormittag eine gekonnte komödiantische Aufführung der Theatergruppe NiL der Lenauschule und im zweiten Teil weitere künstlerische Darbietungen von Lenauschülern im Saal des Temeswarer Deutschen Staatstheaters erleben. Am Abend war ebenfalls Theater angesagt, die dokumentarische Produktion „Menschen. Zu verkaufen.“ von Carmen Lidia Vidu. Es ging um die allen Anwesenden vertraute Thematik um Ausreise und Freikauf. Filmeinspielungen zeigten auch Lenauschüler der 1970er Jahre – so mancher erkannte sich und andere wieder. Da die Theaterkarten bei der Anmeldung schnell ausgebucht waren, gab es als Alternativprogramm im Victoria-Kino die Filmvorführung „Phoenix. Har/Jar“, einen Einblick in den Werdegang der Temeswarer Rockgruppe, was so manchen in Entscheidungsnöte brachte: Lieber Kino oder doch lieber Theater?
Am Freitag vor dem Festakt waren die Türen der Lenauschule für alle weit geöffnet. Wie in alten Zeiten empfingen Lenauschüler die „alten“ Absolventen mit „Gaudeamus“, andere zeigten ihnen die Schule. Die Innen- und Außenrenovierung der Schule hatte dafür gesorgt, dass vieles nicht mehr aussieht wie früher. Heimelig war es allemal. Befremdlich für alle: Der Spruch unter der Lenaubüste fehlt! Er hatte uns allen über viele dunkle Jahre hinweggetröstet: „Ihr kriegt mich nicht nieder!“ „Wir kommen wieder und wieder!“. Bleibt zu hoffen, dass auch der Spruch wieder in den Toreingang kommt. Oder braucht man solche Aufmunterungssprüche heute nicht mehr? Trotz allem: Die Schule wirkt nach wie vor vertraut, auch wenn die alten Türen, die Terrazzoböden in den Gängen und auch die Absolvententableaus fehlen. Für die Besucher des Treffens hatte man eigene Ausstellungen aufgehängt. Die Schüler zeigten, was sie beschäftigt: Robotik, zum Beispiel. Neue Generationen, andere Zeiten. Die Klassenzimmer und Fachräume sind gut ausgestattet, auch Dank der Unterstützung des Vereins. Am Nachmittag sind kaum noch Schüler da, nur Absolventen lassen sich durch Gänge und Räume treiben und suchen nach Spuren der Vergangenheit. Einige zieht es in die Literaturlesung (siehe eigenen Beitrag), andere bewundern den schön gestalteten Innenhof, den man noch ganz anders in Erinnerung hat. Dann wurde es aber Zeit, sich frisch zu machen für die Jahrgangstreffen, die an verschiedenen Orten stattfanden. Da war man als Jahrgang „unter sich“ und hatte Gelegenheit, den Alterungsprozess der ehemaligen Mitschüler kritisch und den eigenen selbstkritisch zu beobachten.
Am Samstag gab es eigens für die Besucher des Lenautreffens einen Festgottesdienst im frisch renovierten Dom. Als Kind hatte man den immer dunkel in Erinnerung – ehrfürchtig, aber nicht einladend. Jetzt strahlt er in neuem Glanz: hell von innen, weiß und ansprechend von außen. Ein Wohlfühlort. Domorganist Walter Kindl, verstärkt von Orchester, Chor und Solisten, sorgte für musikalischen Hochgenuss mit Mozarts Krönungsmesse, dem Ave Verum und anderen musikalischen Perlen. Generalvikar Johann Dirschl zelebrierte den Gottesdienst in der voll besetzten Kirche. Nach einer kurzen Pause bot sich die Gelegenheit, die Kunstinstallation „Nach dem Fest das Fest“ der ehemaligen Lenauschülerin Katharina Sigrid Eismann im Stefania-Palais am Trajansplatz zu besichtigen. Doch dann drängte die Zeit, im AMG-Haus war bereits alles für die große Party hergerichtet. Rund 400 Menschen, eher alt als jung, feierten ausgelassen Wiedersehen bei hervorragender Bewirtung - auch wenn das warme Buffet wegen eines Stromausfalls mit großer Verzögerung aufgebaut wurde. Doboschtorte und Cremeschnitten kamen danach natürlich dennoch zu Ehren.
Was bleibt von dem Fest? Die Erkenntnis, dass der Austausch, die Begegnung vielleicht mit wachsendem Abstand immer wertvoller wird. Und dass die Treffen vor Ort, in der trotz aller Änderungen vertrauten Umgebung von Temeswar, einen besonderen Stellenwert haben. Allgemeiner Tenor: Wir kommen bald wieder. Und wieder und wieder - wie uns Nikolaus Lenau mit dem Spruch im Torbogen gelehrt hat. Und beim nächsten Mal ist der Spruch hoffentlich auch wieder da. Er gehört einfach dazu.
Halrun Reinholz
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