Festakt zu 150+3 Jahren Lenauschule
„Wir kommen wieder und wieder“
Viele ehemalige und gegenwärtige Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Besucher, die teils aus weiter Ferne gekommen waren – sie alle füllten den großen Saal der Temeswarer Oper, um gemeinsam den um drei Jahre verschobenen 150. Geburtstag der Lenauschule zu feiern. Als äußeres Zeichen verband sie das Lenau-Abzeichen, die schön gestaltete frühere „Armnummer“, heute mit vier Sternen offizielles Logo des Vereins der Freunde der Lenauschule.
Die Buttons waren allen Besuchern am Einlass verteilt worden, unwillkürlich kam wieder dieses Lenau-Zusammengehörigkeitsgefühl hoch. Lucian Vărșăndan, Intendant des Temeswarer Staatstheaters und selbst ehemaliger Lenauschüler, eröffnete seine Moderation mit den allen Lenauschülern bekannten Versen von Nikolaus Lenau: „Ihr kriegt mich nicht nieder / ohnmächtige Tröpfe / wir kommen wieder und wieder / und unsere steigenden Lieder / wachsen begrabend euch über die Köpfe.“ Dieser Spruch habe Generationen von Schülern in den Jahren der kommunistischen Einschränkungen sichtbar im Eingang der Schule daran erinnert, dass der freie Geist sich in einer guten Gemeinschaft trotz allem entfalten kann. Außer diesem Gemeinschaftssinn habe ihm die Schule noch Disziplin, aber auch Neugier, Spaß und Freude mit auf den Lebensweg gegeben.
Nun waren sie alle gekommen, die Absolventen, nach mehr oder weniger Jahren, „wieder und wieder“, und besonders zahlreich und erwartungsvoll zu diesem Geburtstagsfest. Die Liste der Gratulanten beim Festakt war beeindruckend. Ovidiu Ganț, der Abgeordnete der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament, eröffnete den Reigen der Redner. Er gab zu, kein Lenauschüler gewesen zu sein, das Renomee der Schule aber selbstverständlich auch als Loga-Konkurrent gekannt zu haben. Dafür war er an der Lenauschule als Lehrer, als Vater von Lenauschülern und sogar zeitweise als Direktor tätig. In seine Direktorenzeit fiel der Aufbau der deutschen Spezialabteilung an der Lenauschule, wofür er sich auch aus diesem Anlass bei den Behörden der Bundesrepublik Deutschland bedankte. Die aktuelle Konsulin der Bundesrepublik in Temeswar, Regina Lochner, erwies sich in ihrer Ansprache als gute Kennerin der Verhältnisse in Temeswar und auch der Geschichte der Schule. Sie erinnerte an engagierte Menschen, die sich auch in schweren Zeiten den erhalt der Identität der Deutschen auch über diese Schule zur Lebensaufgabe gemacht haben und sicherte weiterhin die Unterstützung der Bundesrepublik zu. Dr. Alexander Szepesi war als Vertreter des rumänischen Bildungsministeriums gekommen, wo er die Abteilung für das Schulwesen in den Sprachen der Minderheiten leitet. Er verwies auf das verfassungsmäßige Recht, das den Minderheiten in Rumänien Unterricht in ihrer Sprache gewährt. Mit Blick auf die Lenauschule lobte er den „Blick auf die Welt“, den sie ihren Schülern durch den Zugang zur deutschen Kultur und damit einen „Raum nach Europa“ gewährleistet. Die langfristigen und nachhaltigen Kompetenzen, die über die Schule vermittelt werden, etwa demokratische Werte oder Zivilcourage, sieht er als Gewinn für die ganze rumänische Gesellschaft. Der stellvertretende Generalschulinspektor des Kreises Temesch Ferenc Halász ging kurz auf die lange Geschichte der Schule im Kontext der jeweiligen Stadtregierungen ein. Bildung sei immer eine Grundlage für die Stadtentwicklung und aus lokaler Sicht oft mit Kämpfen verbunden gewesen. Er erinnerte daran, dass es 18 Jahre gedauert hatte, bis die zentralen Behörden der damals ungarischen Regierung der Stadt Temeswar die Genehmigung für eine Oberrealschule gewährt hatten. Dass diese Schule immer noch besteht und ausreichend Zulauf hat, sieht er als Erfolgsgeschichte über die lange Zeitspanne unter vielerlei politischen Vorzeichen. Als Inspektor bescheinigte er der Lenauschule die besten Ergebnisse im Stadtvergleich und eine hohe Unterrichtsqualität. Als Leiterin der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland war Heike Toledo nach Temeswar gekommen. Sie betonte die Sonderstellung der Lenauschule, sie sei ein „Flaggschiff“ unter den zahlreichen deutschen Auslandsschulen weltweit. Nur wenige könnten wie sie eine fest verankerte Mehrsprachigkeit vorweisen, die durch die Geschichte der Stadt gegeben ist. Diese komme in den deutschen Geschichtsbüchern bedauerlicherweise nicht vor. Durch die Spezialabteilung sei es möglich, der Schule ein Fenster in den deutschen Sprachraum zu öffnen, muttersprachliche Lehrerinnen und Lehrer als Ergänzung für das vorhandene „Lenaudeutsch“ anzubieten. Der Temeswarer Bürgermeister Dominic Fritz zeigte sich in seiner Ansprache erfreut darüber, vor so zahlreichem Publikum in seiner Muttersprache sprechen zu können. Er verwies auf das „Geschenk der Zweisprachigkeit“ als Fundament einer multikulturellen Stadt, wie er Temeswar erlebt. Die Wertschätzung für andere, die sich dadurch selbstverständlich ergibt, sei eine Grundkompetenz für das Zusammenleben in Europa. Der Weggang der meisten ehemaligen Lenauschüler und auch vieler heutiger Absolventen sei zwar ein Verlust für die Stadt, aber gleichzeitig eine Chance, die Werte Temeswars, die Empathie und den Respekt für Diversität, den „Lenau-Geist“, in die Welt zu tragen und zu verbreiten. Gute Ausbildung führt zum Weggang, ist aber auch ein Schatz, eine Chance für internationale „Antennen“.
Nicht nur Festredner gratulierten der Schule, auch künstlerische Darbietungen lockerten das Festprogramm immer wieder auf. Den musikalischen Einstieg machte die Musiklehrerin der Lenauschule Jaqueline Kohler, von ihrem Bruder auf dem E-Piano begleitet, mit dem Bekenntnis: „Dein ist mein ganzes Herz“. Ligia Loretta Cristea, in Graz lebende ehemalige Lenauschülerin und promovierte Mathematikerin, sang ein selbst komponiertes Lied in deutscher Sprache und rumänischer Nachdichtung. Kristine Knittel Raffay, deren Vater über 30 Jahre Opernsänger auf dieser Bühne war, würdigte ihn und die Lenauschule mit „What a wonderful world.“ Und nicht zuletzt präsentierten sich mit sechs Trachtenpaaren auch die „Rosmareiner“ auf der Bühne, die Volkstanzgruppe der Lenauschule. Sie legten Zeugnis davon ab, dass die Schule sich nach wie vor der Tradition der nur noch in Restbeständen vorhandenen deutschen Minderheit verpflichtet fühlt. Dass einige von den Trachtenträgern danach auch unter den Kappler- und Walbert-Preisträgern auftauchten, zeugt davon, dass Lenauschüler auch heute noch schulisches und außerschulisches Engagement zu verbinden wissen, wie es die Ehemaligen im Saal in Erinnerung haben.
Nach den Grußworten betrat Dr. Johann Fernbach, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen aus dem Banat, die Bühne. Er würdigte die Unterstützung, die die Lenauschule vom Verein der Freunde der Lenauschule erhält – ein Verein, der sich in Deutschland aus ehemaligen Lenauschülern gegründet hat. Stellvertretend verlieh Fernbach an den Vorsitzenden des Vereins, Prof. Dr. Ing. Franz Quint, die goldene Ehrennadel des Forums. Helene Wolf, Direktorin der Lenauschule, eröffnete die Laudatio an ihren ehemaligen Klassenkameraden mit der Erinnerung, dass es auf die Fragen: „Wer weiß das? Wer kann das? Wer macht das?“ immer nur eine Antwort in der Klasse gegeben hätte: Franz Quint. Mit seiner Grundüberzeugung: „Ein Schwob muss alles können“ leistet er mit dem Verein seit vielen Jahren tatkräftige materielle und immaterielle Hilfe für die Schule. Doch nicht weniger wichtig seien die menschlichen Kontakte, durch den Verein hätten viele ehemalige Lenauschüler wieder einen Bezug zu ihrer Schule gefunden. Franz Quint bedankte sich für die Würdigung indem er betonte, er habe in dieser Schule das Rüstzeug für sein Leben bekommen, davon gebe er, wie viele andere Vereinsmitglieder auch, gerne etwas zurück.
Teil der Festveranstaltung waren auch die Verleihungen der beiden Preise, die über den Verein der Freunde der Lenauschule an der Schule gestiftet worden sind. Der Elsa-Lucia-Kappler-Preis für hervorragende Leistungen im Fach Deutsch hat an der Schule schon eine lange Tradition. Da der Stifter Prof. Dr. Günter Kappler nicht anwesend sein konnte, wurde er von den beiden Deutschlehrerinnen Gabriela-Mona Mateiu und Andreea Goța verliehen. Den Preis für Naturwissenschaften in verschiedenen Disziplinen verliehen die Stifter Dr. Carmen Walbert und Dr. Jakob Walbert selber. Carmen Walbert nutzte die Gelegenheit, den Schülerinnen und Schülern, aber auch dem anwesenden Publikum zu vermitteln, welche Motivation sie und ihr Mann für die Stiftung eines solchen Preises gehabt hätten: Respekt für Bildung, für das Lernen und Forschen, das nicht mit Aneignung von Wissen zu verwechseln sei. Dies hätten sie in ihrer Jugend vermittelt bekommen und das wollten sie der jungen Generation mit auf den Lebensweg geben.
Die Festrede für die Lenauschule hielt Lorette Cherăscu, ehemalige Lenauschülerin und inzwischen „auf der anderen Seite der Barrikade“, nämlich als Deutschlehrerin. Sie erinnerte daran, dass wir hier nicht nur eine Institution feiern, nicht nur ein Gebäude (oder mehrere), sondern uns, die Gemeinschaft der Lenauschüler. „Jeder von uns trägt die Lenauschule in sich“, zeigte sie sich überzeugt. Sie hat uns alle geprägt, jeden auf eine vielleicht andere Weise. So gesehen sei die Lenauschule ein großes Puzzle, das aus vielen kleinen Puzzle-Steinchen zusammengesetzt ist. Das Puzzle ist auch nicht abgeschlossen, wie sie jeden Tag erleben kann. Heute sei zwar alles anders als zu ihrer Schulzeit und noch früher war es wieder anders, aber sie sehe das Heute in der Schule nicht besser, nicht schlechter, einfach zeitgemäß. Die Kontinuität sei der „Geist“, der wachgehalten und immer wieder neu belebt werden muss. Aus ihrer Sicht sei das gelungen und die Lenauschule fit für die Zukunft. Damit sprach die Festrednerin dem Verein der Freunde der Lenauschule aus der Seele. Das Geburtstagsgeschenk des Vereins an die Schule, ein fast 600 Seiten umfassendes Erinnerungsbuch mit dem Titel „Die Lenauschule sind wir“, bläst nämlich in dasselbe Horn und versucht, dem „Geist“ der Lenauschule durch Zeiten und Generationen nachzuspüren. Halrun Reinholz überreichte es Lorette Cherăscu sozusagen als Bestätigung des Inhalts ihrer Festrede.
Die Feier endete mit einer Reihe von Ehrungen des Vereins der Freunde der Lenauschule. Der Goldschmied Eduard Knöbl hat als Hommage an seine alte Schule das Lenau-Abzeichen als Schmuckstück gestaltet. Nicht käuflich sind die Sonderanfertigungen als Ehrennadel in Silber, die nun an Unterstützer des Vereins und der Schule verliehen wurden. Als erste wurden zwei Temeswarer Bürgermeister ausgezeichnet: George Ciuhandu, ehemaliger Lenauschüler und als Bürgermeister tatkräftiger Unterstützer der Lenauschule, hatte das Projekt „Lenau-Campus“ auf den Weg gebracht. Der aktuelle Bürgermeister Dominic Fritz ist in der glücklichen Lage, es demnächst zum Abschluss zu bringen. Als nächste wurden die Stifter ausgezeichnet: Prof. Dr. Günter Kappler in Abwesenheit, das Ehepaar Dres Carmen und Jakob Walbert persönlich. Schließlich wurden zwei ehemalige Schuldirektoren geehrt. Unter dem tosenden Applaus des Publikums kam die 94jährige Barbara Bonfert auf die Bühne, langjährige Mathematiklehrerin und stellvertretende Schulleiterin und vielen Anwesenden daher in bester Erinnerung. Ihr zur Seite Ovidiu Ganț, der sowohl in seiner Zeit als Direktor als auch jetzt, in seiner Position als Abgeordneter im rumänischen Parlament, stets die Belange der Schule im Blick hat.
Bei kollektiver Ergriffenheit und der einen oder anderen flüchtigen Träne endete der Festakt, wie es sich für die Lenauschule gehört, mit einem feierlichen Gaudeamus auf der Bühne und im Saal. Der Festakt konnte im Live-Stream vor Ort verfolgt werden, er steht jedoch auch dauerhaft auf dem YouTube Kanal des Vereins der Freunde der Lenauschule im Netz.
Halrun Reinholz
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