Nobelpreis für Herta Müller
Am 8. Oktober 2009 wurde der Banater deutschen Autorin Herta Müller der Nobelpreis für Literatur zugesprochen. Die kurze offizielle Argumentation der Schwedischen Akademie zu dieser Entscheidung ist, dass Herta Müller in ihren Werken „mittels Verdichtung der Poesie und der Sachlichkeit der Prosa eine Landschaft der Heimatlosigkeit zeichnet“.
„Unsere“ Herta Müller also, die wohl umstrittenste Autorin, die das Banat je hervorgebracht hat, die Autorin, der alles nur Denkbare angehängt und nachgesagt wurde, menschlich, politisch, schriftstellerisch. Sie hat zu keinem Zeitpunkt eine Schwarz-Weiß-Weltanschauung vertreten. Kritisch ist sie allen und jedem gegenüber, scheut sich nicht, in ihren Schriften dort anzusetzen, wo es weht tut, nicht nur dem Leser, dem Landsmann sondern auch der Autorin selbst. Mit Können, einem schriftstellerischen Ausnahmetalent, Mut, Engagement und Beharrlichkeit schreibt sie gegen das Vergessen an.
Ihrer Gabe, Vergangenes und zu wenig Beachtetes weltweit jedem Leser nahezubringen, können wir es verdanken, dass all diejenigen, deren Schicksale sie in literarisch Schwindel erregenden Tempo beschreibt, nicht für immer in Vergessenheit geraten werden.
Es gibt im Banat ja weiß Gott recht viele Dichter und Schriftsteller. Mundartliches, Lyrisches, zuweilen Politisches und – diasporabedingt – ganz viel Erinnerungsträchtiges entstand und entsteht in der alten und neuen Heimat. Es gibt in Temeswar auch heute noch eine starke Fraktion Deutsch schreibender junger Rumänen, fachkundig angeleitet und unterstützt im Stafette-Verein durch Annemarie Podlipny-Hehn. Und jeder dieser Schriftsteller, ob mehr oder weniger bekannt oder berühmt trägt dazu bei, dass in unserer alten Heimat eine sorgsam gepflegte Kulturlandschaft weiterblüht und jungen Talenten, die hoffentlich Herta Müllers Beispiel folgen werden, ein solides Fundament für kreative Entfaltung bietet.
Sie musste sich unter widrigsten Bedingungen hoch schreiben, unsere Herta Müller, sich aus der Dissidentenszene mit viel Plakativ-Agitatorischem hinaufdichten in den Olymp der Schriftsteller. Sie hat unter schwersten Bedingungen und mit recht geringer Unterstützung deren, deren Sprachrohr sie eigentlich sein wollte unser Banat, unsere Schicksale eingereiht in den Kanon der ganz großen Weltliteratur. Künftig wird sie, die 1953 in Nitzkydorf Geborene, und an unserer Lenauschule Ausgebildete und noch sehr jung mit dieser größten Auszeichnung, die einem Schriftsteller zuteil werden kann, Bedachte in den Bibliotheken der Welt neben Thomas Mann, Heinrich Böll, Günther Grass, Imre Kertész, Orhan Pamuk, Selma Lagerlöf, Winston Churchill und Elfriede Jelinek stehen.
Übrigens ist Herta Müller erst die zwölfte Frau, die jemals einen Nobelpreis für Literatur erhalten hat. Bravo, bravo, bravo!
Ines Reeb Gische