Verein der Freunde der Lenauschule

Achtzig und kein bisschen leise

Dem Ehrenvorsitzenden Erich Pfaff zum Geburtstag

Seine unverkennbare, gewaltige Stimme schallte nicht immer nur freundlich durch die Gänge der Lenauschule, jedenfalls sorgte sie häufig für betretene Stille im sonst lautstarken Pausengewusel. Doch mit der gleichen lauten Stimme führte er im freien Vortrag und mit wunderbaren Dias durch Länder und Kontinente – anschaulicher Geographieunterricht, als dies noch kaum selbstverständlich war und die Dias eine Neuerscheinung am Medienhimmel.

Erich PfaffAm 21. März 1930 wurde Erich Pfaff in der Temeswarer Fabrikstadt geboren und wuchs in der Badgasse auf. Im Gebäude der heutigen Lenauschule, damals „Realgymnasium“, war er selbst Schüler, bis er es 1943 wegen seiner jüdischen Mutter verlassen musste. 1949 machte er dort jedoch das Abitur und studierte anschließend in Klausenburg und Bukarest Geographie.
Gut zwanzig Jahre lang, von 1971 bis 1992, prägte Erich Pfaff die Temeswarer Lenauschule als Direktor – sieht man von einer kurzen Unterbrechung zwischen 1986 und 1989 ab, wo er abgesetzt und damit „einfacher“ Erdkundelehrer war.  Davor war er bereits fünf Jahre lang stellvertretender Direktor am Josefstädter Lyzeum gewesen, dessen deutsche Abteilung 1971 mit der des Lyzeums Nr. 2 zum deutschen Lenau-Lyzeum verschmolz. Und bereits 1953-1958 hatte er als junger Lehrer an der Vorgängerschule, dem „Deutschen Lyzeum“ unterrichtet. Viele Generationen von Schülern sind es, die ihn als Erdkundelehrer, etliche, die ihn als „Boss“ erlebten. Der Spitzname passt zu ihm und er trägt ihn auch heute mit Stolz. Im rigiden sozialistischen Schulsystem, wo „Genosse Direktor“ die korrekte Anrede zu sein hatte, war eine solche Benennung keineswegs üblich, doch auf den legendären Ausflügen traten alle Formalitäten außer Kraft und von Respektlosigkeit konnte dabei nie die Rede sein.  Kaum ein ehemaliger Schüler nennt ihn heute anders.
Im Schulalltag trat er sehr wohl als „Boss“ in Erscheinung – autoritär und polternd, durchaus auch mal handgreiflich, aber gleichzeitig mit dem Bewusstsein, eine Verantwortung zu haben für diese Schule. Er war ein Patriarch, der seinen breiten Rücken nach außen hielt und im Inneren für ein geordnetes Familienleben sorgte. Schüler anderer Schulen beneideten uns für unsere Discos, Schrazenbälle und die kleinen Freizügigkeiten im Alltag, die woanders kaum vorstellbar waren. „Ich war niemals der ideologischen Verblödung ausgesetzt, wie sie an rumänischen Schulen üblich war“, hatte eine ehemalige Schülerin in dankbarem Rückblick an „Boss“ geschrieben. Das funktionierte, so lange keiner über die Stränge schlug.

Erich PfaffAußerhalb des Schulalltags zog er mit Heerscharen von Schülern Jahr für Jahr durch die Lande. Ein „Boss-Ausflug“ war gelebte Geographie und sicherlich einer der Nährböden für die „Lenau-Familie“. Die dort und woanders entstandenen Dias zeigte Boss nicht nur im Unterricht, sondern auch in Vorträgen, die er bereits ab 1968, dann ab 1970 im Rahmen  der von ihm gegründeten „Deutschen Volksuni“ in deutscher Sprache hielt. Die Zuschauer waren, wie man heute sagen würde, „Senioren“, die jeden Mittwoch den Festsaal der Lenauschule belagerten und von uns Schülern nicht ohne Eifersucht wahrgenommen wurden. Diesem Hobby blieb Boss auch treu, als er 1992 nach Deutschland übersiedelte und sich in Herford niederließ. Im Zeitalter der Beamer und Power-Point-Präsentationen ist er – wie er sich selbstironisch apostrophiert - ein „Dia-Dinosaurier“ geblieben. Nach einem Schlaganfall und mehreren Herzoperationen bewegt er sich mit Hilfe eines Rollators von Ort zu Ort, um in Seniorenresidenzen, Volkshochschulen und Bildungsstätten sein beachtlich breites Repertoire an Vorträgen über Landschaften, Städte,  Architektur, Kunst oder Brauchtum erfolgreich zum besten zu geben. Er bewirbt sie als gleichermaßen seniorengerecht („laut, deutlich, unterhaltsam“) wie juniorentauglich. 2008 wagte er sich mit einer Vortragsreihe (in rumänischer Sprache) nach Temeswar. Bürgermeister George Ciuhandu, auch er ehemaliger Lenauschüler, verlieh ihm bei dieser Gelegenheit eine Ehrenurkunde für seine Verdienste als weltweiter Botschafter seiner Heimatstadt.  Doch auch bei den Jahrgangstreffen seiner ehemaligen Schüler in Deutschland ist Boss ein gern gesehener Gast, wenn er die alten Ausflugs- und Schulabschluss-Dias auspackt und mit erstaunlicher Gedächtnisstärke Namen und Eigenheiten der Abgebildeten zum Besten gibt, als hätte er sie erst gestern gesehen. Sein Name ist immer noch Garant für volle Säle:  Beim großen Lenautreffen in Neusäß im November 2009 wurden selbst die Stehplätze knapp.
Typisch für Boss ist deshalb auch die Art, seinen 80. Geburtstag zu feiern: Möglichst viele ehemalige Schüler will er dabei haben, um mit ihnen eine „letzte Erdkunde-Stunde“ (die erste war vor 57 Jahren!) abzuhalten. Zu diesem Zweck plant er eine deutschlandweite „Dia-Tournee“ zum Thema „Geographie der europäischen Bauwunder des 21. Jahrhunderts“ vom 18. Mai bis zum 1. Juni. Mit dem Spendenerlös wird – was sonst ? – die Lenauschule unterstützt.  Die Termine und Orte werden rechtzeitig auf unserer Web-Seite veröffentlicht rechtzeitig bekannt gegeben.
Der Verein der Lenaufreunde, dessen Ehrenvorsitzender er selbstverständlich ist, und die ehemaligen Schüler wünschen unserem Boss noch für viele Jahre Energie, Gesundheit, ein gutes Gedächtnis und eine laute Stimme, um sich in bewährter Manier bemerkbar zu machen.

Halrun Reinholz

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